Die erste industrielle Revolution nutzte Wasser- und Dampfkraft zur Mechanisierung der Produktion. Die zweite industrielle Revolution nutzte die elektrische Energie, um die Massenproduktion zu ermöglichen. Die dritte industrielle Revolution nutzte Elektronik und IT, um die Produktion zu automatisieren.
Und nun stehen wir Futuristen zufolge an der Schwelle zur Vierten Industriellen Revolution, die die Vernetzung und intelligente Automatisierung nutzt, um rasche, noch nie dagewesene - und in vielerlei Hinsicht unerwartete - Veränderungen in der Technologie, den Branchen und den gesellschaftlichen Mustern und Prozessen herbeizuführen und die Grenzen zwischen physischen, digitalen und biologischen Sphären zu verwischen.
Im Folgenden stelle wir 10 Technologietrends vor, die die Welt verändern werden - manche auf eine Art, die wir vorhersehen, und andere möglicherweise so, wie wir es nicht erwarten:
Nekrobotik
Nekrobotik ist die Verwendung von biotischen Materialien - oder toten Organismen - als Komponenten für Roboter. So haben beispielsweise Maschinenbauingenieure der Ricde University in Houston im vergangenen Jahr gezeigt, wie man tote Spinnen in „mechanische Greifer“ umwandeln kann, die sich in natürliche Umgebungen einfügen und dabei Objekte aufheben können, die schwerer sind als sie selbst, wie etwa Insekten.
Derzeit befindet sich das Konzept der Nekrobotik noch in einem sehr frühen Stadium. Es birgt jedoch ein erstaunliches Potenzial (und vielleicht ein ganz neues Genre von Horrorfilmen!).
Sandbatterien
Eine Sandbatterie ist ein thermischer Hochtemperatur-Energiespeicher, der Sand (oder sandähnliche Materialien, die als Supraleiter fungieren) als Speichermedium verwendet. Sie kann durch kostengünstigen Solar- oder Windstrom erzeugte Wärme über Monate hinweg speichern. Die erste Sandbatterie wurde von dem finnischen Start-up-Unternehmen Polar Night Energy zusammen mit dem finnischen Energieversorger Vatajankoski gebaut. Im Rahmen dieses Projekts wurde die erste kommerziell nutzbare Energiespeicherlösung auf Sandbasis der Welt entwickelt.
Im Moment sind die größten Herausforderungen für Sandbatterien - wie so oft bei bahnbrechenden Technologiekonzepten - die Kosten und die Skalierbarkeit. Es besteht jedoch die Hoffnung, dass die beiden Hindernisse in naher Zukunft überwunden werden, was eine ganz neue Ebene der grünen Technologie freisetzen würde. Wie das IEEE, der weltweit größte Fachverband für die Förderung der Technologie, feststellte: „Erschwingliche Wärmespeicher könnten der Industrie und den Städten dabei helfen, Wärme einzufangen, die derzeit verschwendet wird, und die Unregelmäßigkeiten der Wind- und Solarenergie auszugleichen.“
Xenotransplantation
Unter Xenotransplantation versteht man das Verfahren, bei dem einem Menschen Organe, Zellen oder Gewebe eines Tieres transplantiert, eingesetzt oder infundiert werden. Die berühmteste Xenotransplantation fand vor vielen Jahren statt.
Im Jahr 1984 wurde ein Baby mit einem Herzfehler geboren, an dem es innerhalb weniger Tage gestorben wäre. Sein Chirurg Leonard Lee Bailey war ein Pionier auf dem Gebiet der Tier-zu-Tier-Transplantation und beschloss, die Transplantation eines Pavianherzens zu wagen - nicht als dauerhafte Lösung, sondern damit das Baby (das später als „Baby Fae“ bekannt wurde) lange genug bis zu einer zweiten menschlichen Transplantation in naher Zukunft überleben konnte. Tragischerweise starb Baby Fae 21 Tage später, nachdem ihr Körper das Pavianherz abgestoßen hatte. Dieses Ereignis war jedoch der erste ernsthafte Versuch einer Xenotransplantation.
Jetzt, vier Jahrzehnte später, ist das Interesse an der Xenotransplantation neu entfacht - und damit auch die ethnische Debatte und Kontroverse, die sich darum rankt - als eine Möglichkeit, das globale Problem des Mangels an Organen zu lösen, das jedes Jahr Millionen Menschenleben kostet. Wie das Irving Medical Center der Columbia-Universität hervorhebt: „Bei der Xenotransplantation geht es um viel mehr als ein Verfahren, das wie aus einem Science-Fiction-Film anmutet. Sie hat für viele Transplantationschirurgen und -experten Priorität, weil sie viele der Hindernisse beseitigen könnte, die seit Jahrzehnten beim Zugang zu Organen bestehen.“
Brain-Reading-Roboter
Seit einigen Jahren gibt es Technologien, die Tetraplegikern (Menschen, die ihren Ober- oder Unterkörper nicht bewegen können) helfen, mit der Welt zu interagieren. Allerdings setzen diese Technologien voraus, dass der betroffene eine Art Input liefert.
Jetzt gibt es eine Technologie, die maschinelles Lernen nutzt, um Gehirnsignale zu bewerten und zu verstehen, ohne dass der Mensch aktiv etwas dazu beitragen muss. So könnte der Algorithmus z. B. theoretisch und potenziell die Hirnaktivität einer an den Rollstuhl gefesselten Person interpretieren, um die Präferenzen dieser Person in Bezug auf Geschwindigkeit, Abstand zu anderen Objekten und andere Variablen zu erfassen. Es wurde auch postuliert, dass diese sogenannten „gehirnlesenden Roboter“ eines Tages die kontextuellen Umstände einer Person erkennen und sich dementsprechend augenblicklich anpassen könnten. Ein Rollstuhl würde z. B. automatisch wissen, dass er seine Riskotoleranz ändern muss, wenn eine Person sonst zu spät zu einer Verabredung kommt.
In gewisser Weise zielt diese bemerkenswerte Technologie darauf ab, die Stimmung und die Gefühle einer Person zu erfassen und diese Informationen zu nutzen, um ihren Alltag zu verbessern. Doch im Moment besteht das größte Hindernis darin, über einen längeren Zeitraum die Konsistenz des Algorithmus zu gewährleisten. So kommentiert die BBC: „Ohne diese Konsistenz könnte der Algorithmus in realen Situationen aus dem Tritt geraten. Wenn zum Beispiel jemand mit einem Rollstuhl in einer Menschenmenge fährt und Leute überholt, die in einen Streit verwickelt sind, könnte die Person einen Fehler erzeugen, der nichts mit der Fahrpraxis zu tun hat.“
Direct Air Capture
Bäume spielen durch den Prozess der Photosynthese beim Abbau von Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre eine wesentliche Rolle. Jedoch wird dafür viel Fläche benötigt, von der es immer weniger gibt. Hier könnte die Direct-air-capture-Technologie (DAC) einen Paradigmenwechsel herbeiführen.
Bei der DAC wird CO2 aus der Luft entnommen und in geologischen Höhlen tief unter der Erde gespeichert oder mit Wasserstoff kombiniert, um synthetische Kraftstoffe herzustellen. Derzeit sind 18 DAC-Anlagen weltweit in Betrieb, die zusammen fast 0.01 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr einfangen. Es wird erwartet, dass DAC bis zum Jahr 2030 jährlich fast 60 Mio. Tonnen CO2 einfangen wird.
DAC hat zwar ein unglaubliches Potenzial, aber es gibt noch einige erhebliche Probleme und Herausforderungen zu bewältigen - das größte besteht in der enormen Menge an Energie, die DAC-Anlagen benötigen, um zu funktionieren. Wenn es jedoch gelingt, diese Belastung zu verringern, könnte DAC viel frische Luft für künftige Generationen bringen.
Energiespeichernde Ziegel
Wir kennen uns mit Smartphones, Smart-TVs und Smart Homes aus. Nun, in den kommenden Jahren werden wir der Smart-Landschaft hoffentlich ein weiteres Mitglied hinzufügen: Smart Bricks!
Forscher der Washington University in St. Louis haben eine Methode entwickelt, um auf Ziegel eine leitende Beschichtung - bekannt als PEDOT - aufzutragen, die dann durch die poröse Struktur der gebrannten Ziegel sickert und sie in energiespeichernde Elektroden verwandelt; dadurch werden die Ziegel praktisch zu einer Batterie.
Die gute Nachricht ist, dass die Herstellung dieser Intelligenten Ziegel nur etwa 3 US-Dollar pro Stück kostet. Die weniger gute Nachricht ist, dass die Energiespeicherkapazität derzeit extrem gering ist - etwa 1 % einer Lithium-Ionen-Batterie (genug, um ein LED-Licht zum Leuchten zu bringen). Es gibt jedoch vielversprechende und aufregende Neuigkeiten. Die Forscher hoffen, dass sie durch die Beimischung bestimmter Übergangsmetalle wie Mangan die Energiespeicherkapazität deutlich erhöhen können.
Lebendiger Beton
Forscher an der University of Colorado Boulder haben aus Sand, Gel und Bakterien etwas entwickelt, dass als „lebendiger Beton“ bezeichnet wird. Dies könnte den Weg ebnen (ja, das Wortspiel ist beabsichtigt) für zukünftige Gebäudestrukturen, die ihre Risse selbst heilen, giftige Chemikalien erkennen und darauf reagieren und sogar leuchten können, um strukturelle Schäden aufzuzeigen.
Die Mineralien in dem neuen Material werden von Cyanobakterien abgelagert, einer häufig vorkommenden Klasse von Mikroben, die durch Photosynthese Energie gewinnen. Bei diesem Prozess wird CO2 absorbiert, während bei der Herstellung von herkömmlichem Beton große Mengen des Treibhausgases freigesetzt werden.
Zurzeit konzentrieren sich die Forscher darauf, lebendigen Beton stärker zu machen und seine Widerstandsfähigkeit gegen Austrocknung zu erhöhen. Sie suchen auch nach Möglichkeiten, das Material so umzugestalten, dass es leichter zusammengefügt und flach verpackt werden kann - was die Möglichkeit eröffnen würde, diese Technologie auf anderen Planeten, z. B. dem Mars, anzuwenden. Wil Srubar, Bauingenieur an der University of Colorado Boulder und Leiter des Forschungsprojekts, kommentiert: „Wir werden auf keinen Fall Baumaterialien in den Weltraum befördern. Wir werden die Biologie mitbringen.“
Transpirationsbetriebene Smartwatches
Ingenieure an der University of Glasgow haben eine neue Art von flexiblem Superkondensator entwickelt, der Energie speichert und die Elektrolyte in herkömmlichen Batterien durch Schweiß ersetzt.
Und so funktioniert es: Ein Polyestertuch absorbiert positive und negative Ionen im Schweiß. Diese Ionen interagieren mit der Oberfläche des Polymers, was eine elektrochemische Reaktion auslöst und somit Energie erzeugt. Der Superkondensator kann mit nur 20 Mikrolitern Schweiß (etwa 4 Tropfen) vollständig aufgeladen werden und ist robust genug, um 4000 Zyklen zu überstehen.
Aber es gibt noch einige Probleme zu lösen, bevor schweißbetriebene Smartwatches auf den Markt kommen und von einer breiten Masse angenommen werden. Vor allem müssen die Forscher herausfinden, wie die Batterie auch dann hält, wenn die Träger nicht schwitzen. Eine Idee ist es, eine herkömmliche Batterie als Backup einzusetzen. Das ist zwar keine ideale Lösung, aber es könnte eine Brücke zu einer besseren, 100 % batterielosen Smartwatch in der (hoffentlich nicht allzu fernen) Zukunft sein.
KI-Bilderzeugung
Wir alle kennen die herkömmliche Bildersuche, bei der wir einen Begriff wie „Welpe“ in eine Suchmaschine eingeben, auf Bilder klicken und Tausende und Abertausende von Bildvorschlägen erhalten - von Archivfotos bis zu Cliparts.
Es gibt jedoch eine aufkommende Technologie, die als KI-Bilderzeugung bekannt ist und weit über das bloße Sammeln von Bildern hinausgeht - sie erstellt tatsächlich brandneue originale Bilder basierend auf einfach formulierten Vorgaben.
Diese Technologie von OpenAI, bekannt als Dall-E, befindet sich in ihrer zweiten Iteration (“Dall-E 2”). Gegenüber der ersten Version wurden einige beeindruckende Verbesserungen vorgenommen, darunter eine bessere Bildauflösung, schnellere Bilderzeugung und ein intelligenterer Algorithmus.
Es müssen jedoch noch immer einige Probleme gelöst werden bevor Dall-E 2 (oder eine spätere Version) so wunderbar und beeindruckend ist, wie die Figur, nach der es benannt wurde, Wall-E. Wenn Sie zum Beispiel nach einem Bild mit einem „hinteren Loch in einem Kasten“ fragen, wird Dall-E2 die Anfrage wörtlich nehmen und ein Bild mit einem schwarzen Kreis (der ein Loch darstellt) in einem Kasten liefern. Was aber, wenn sie eigentlich ein Bild eines kosmischen schwarzen Lochs gesucht haben? Darüber hinaus kann Dall-E2 Probleme mit variablen Überblendungen bekommen. Wenn man es zum Beispiel bittet, einen roten Würfel auf einen blauen Würfel zu zeichnen, erhält man manchmal einen blauen Würfel auf einem roten Würfel.
Und zusätzlich gibt es eine wachsende, aufgeregte ethische Debatte darüber, wie diese Technologie für ruchlose Zwecke wie Propaganda und „Fake News“ verwendet werden könnte (und tatsächlich schon wird).
Im Moment wird Dall-E2 langsam eingeführt (es gibt eine Warteliste) und es gibt keine offiziellen Pläne, es der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Aditya Ramesh, einer der leitenden Forscher des Projekts, kommentiert: „Wir wollen diese Forschung in die Hände der Menschen geben, aber im Moment sind wir nur daran interessiert, Feedback darüber zu erhalten, wie die Menschen die Plattform nutzen. Wir sind auf jeden Fall daran interessiert, diese Technologie breiter einzusetzen, aber wir haben derzeit keine Pläne für die Vermarktung.“
Satelliten in den Weltraum katapultieren
Die herkömmliche Methode, Satelliten in den Weltraum zu befördern, besteht darin, sie an Raketen anzukoppeln. Es besteht allerdings die Möglichkeit, dass die Satelliten in den kommenden Jahren quasi an ihren Bestimmungsort katapultiert werden. Ja, ganz im Ernst!
Es gibt jetzt einen Prototyp eines Systems, mit dem Satelliten (oder jegliche andere Nutzlasten) mithilfe kinetischer Energie ins All befördert werden können. Im Wesentlichen wird der Satellit an eine Trägerrakete angehängt und mit schwindelerregenden 8000 km/h und 10.000 G in Drehung versetzt, bevor er durch eine riesige Röhre nach oben geschleudert wird.
Im Moment macht das Konzept die Raketentriebwerke noch nicht vollständig überflüssig, die immer noch notwendig wären, um Satelliten in die Umlaufbahn zu bringen. Aber das Unternehmen SpinLaunch, das hinter dieser Technologie steht, sagt, dass dadurch Treibstoff und Infrastruktur um 70 % reduziert werden können.
Blick in die Zukunft
Dies sind nur einige der vielen technischen Ideen, die die vierte industrielle Revolution einläuten und eines fernen Tages eher als konventionell denn als erstaunlich betrachtet werden. Auch wenn wir nicht wissen, was sich entwickeln wird, können wir mit Sicherheit sagen, dass es sehr, sehr interessant sein wird.
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